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Eltern schulden Ausbildungsunterhalt nur für Erstausbildung

(red/dpa). Eltern müssen ihren Kindern die Erstausbildung finanzieren. Sie sind grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Kind eine weitere Berufsausbildung zu ermöglichen. Die erste Ausbildung muss aber seinen Begabungen und Neigungen entsprechen. Das Risiko, im erlernten Beruf nach Abschluss der Ausbildung keine Arbeitsstelle zu finden, trägt das Kind selbst, so das Oberlandesgericht Hamm.

Das Land Nordrhein‑Westfalen verlangte von den Eltern die Erstattung von Ausbildungsunterhalt in Höhe von rund 6.400 Euro. Diesen Betrag hatte das Land der Tochter für ein Studium in der Zeit von Oktober 2015 bis September 2016 nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bewilligt. Nach dem BAföG haben Eltern dem fördernden Land derartige Zahlungen zu erstatten, wenn sie für die geförderte Ausbildung Unterhalt schulden.

BAföG-Erstattung für Zweitausbildung?
Die Tochter hatte sich in der 9. Schulklasse als 15‑jährige entschieden, den Beruf einer Bühnentänzerin zu erlernen. Sie verließ die Schule nach der mittleren Reife, um an einer Hochschule den Studiengang Tanz zu absolvieren. Das Studium schloss sie 2011 mit dem Tanzdiplom ab.

In der Folgezeit gelang es der Tochter allerdings nicht, eine Anstellung als Tänzerin zu finden. Deswegen nahm sie 2012/2013 die Schulbildung wieder auf, erwarb die allgemeine Hochschulreife und begann 2015/2016 in Münster Psychologie zu studieren. Für dieses Studium erhielt sie BAföG‑Leistungen. Das Land NRW blieb beim Oberlandesgericht ohne Erfolg.

Die Eltern schulden ihrer Tochter für das Hochschulstudium keinen Ausbildungsunterhalt. Daher müssen sie dem Land die BAföG‑Leistungen nicht erstatten. Eltern schulden ihrem Kind grundsätzlich eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen von Sohn oder Tochter am besten entspricht. Gewähren Eltern ihrem Kind eine solche erste Berufsausbildung, müssen sie danach nicht die Kosten einer weiteren Ausbildung tragen.

Eltern müssen keine Zweitausbildung finanzieren. Ausnahmen gibt es nur unter besonderen Umständen. Etwa wenn der Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann. Eine fortdauernde Unterhaltspflicht kommt auch dann in Betracht, wenn die weitere Ausbildung als eine im engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Erstausbildung stehende Weiterbildung anzusehen ist. Ähnliches gilt, wenn während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wird.

Im vorliegenden Fall hatten die Eltern ihrer Tochter bereits die Erstausbildung zur Bühnentänzerin finanziert. Weiteren Ausbildungsunterhalt schuldeten sie nicht. Die Tochter hatte mit dem Diplom eine staatlich anerkannte Berufsausbildung zur Bühnentänzerin abgeschlossen. Das spätere Studium der Psychologie stellte keine Weiterbildung dar, die im Zusammenhang mit der ersten Ausbildung gestanden hätte. Die Tochter strebte bei Beginn ihrer Tanzausbildung auch keinen weiteren Besuch der allgemeinbildenden Schule mit anschließendem Studium an.

Ebenso entsprach die Ausbildung zur Bühnentänzerin den damaligen Neigungen und Fähigkeiten und der Begabung der Tochter. Sie hatte schon seit ihrem fünften Lebensjahr das Hobby Ballett. Im Grundschulalter erhielt sie Ballettunterricht. Die Aufnahmeprüfung an der staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst bestand sie und absolvierte dann eine einjährige Vorbereitungszeit an der Akademie des Tanzes. Im Anschluss daran nahm sie an einem erneuten Auswahlverfahren an der Hochschule mit Erfolg teil und wurde zum Studiengang Tanz zugelassen. Bei diesem Werdegang seien Neigungen und Fähigkeiten der Tochter, bezogen auf den Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns, nicht falsch eingeschätzt worden, so das Gericht.

Dass sie später keine Anstellung als Tänzerin gefunden habe, beruhe auf einer verschlechterten Arbeitsmarktsituation. In der Zeit nach Abschluss ihres Studiums hätten sich bis zu 3.000 Bewerber auf eine Stelle im Bereich des Bühnentanzes beworben. Das allgemeine Arbeitsplatzrisiko, nach Abschluss der Erstausbildung keine Stelle zu finden, trügen nicht die Eltern. Vielmehr müsse ein Volljähriger, der nach Abschluss seiner Ausbildung arbeitslos sei, primär selbst für seinen Unterhalt sorgen, auch außerhalb des erlernten Berufs.

Oberlandesgericht Hamm am 27. April 2018 (Az: 7 UF 18/18)

„Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV)“

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