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Teileigentum: Grundsätzlich Anspruch auf zweiten Rettungsweg!

Ein Teileigentümer hat aus § 21 Abs. 4 WEG einen Anspruch, dass für die in seinem Eigentum stehenden Räume die öffentlich‑rechtlichen Anforderungen an einen Aufenthaltsraum erfüllt sind (hier: zweiter Rettungsweg). Etwas anderes gilt, wenn die Räume nicht als Aufenthaltsraum gebraucht werden dürfen.

BGH, Urteil vom 23.06.2017 ‑ V ZR 102/16

WEG § 1 Abs. 3. 6, § 15 Abs. 1, § 21 Abs. 4, 5 Nr. 2, § 21 Abs. 8

Problem/Sachverhalt

K ist Sondereigentümer von Räumen im Kellergeschoss, die nicht zu Wohnzwecken dienen. Die Räume werden im Aufteilungsplan als "Keller" bezeichnet. Weiter bestimmt die Gemeinschaftsordnung, dass Teileigentum "nur zu baurechtlich zulässigen gewerblichen Zwecken genutzt werden" darf. Bauordnungsrechtlich ist es K aber verboten, seine Räume zu Aufenthaltszwecken zu gebrauchen. K will das ändern. Dazu muss nach der einschlägigen Landesbauordnung ein zweiter Rettungsweg geschaffen werden. K beantragt vor diesem Hintergrund auf einer Versammlung u. a., diesen zweiten Rettungsweg herzustellen. Der Antrag findet keine Mehrheit. K greift diesen Negativbeschluss an. Zugleich will er es erreichen, dass seinem Antrag entsprochen wird. Hilfsweise soll das Gericht einen Beschluss des Inhalts ersetzen, dass alle Maßnahmen vorgenommen werden, die zur Errichtung eines zweiten Rettungswegs erforderlich sind. Die Klage hat bei Amts‑ und Landgericht keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt K seine Anträge weiter. Mit einem Teilerfolg!

Entscheidung

K habe einen Anspruch auf Herstellung des zweiten Rettungswegs nach § 21 Abs. 4, 5 Nr. 2 WEG. Zu einer ordnungsmäßigen Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zählten sowohl die erstmalige plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums als auch Maßnahmen zur Erfüllung öffentlich‑rechtlicher Anforderungen an das gemeinschaftliche Eigentum. Dass K Eigentümer eines Teileigentums sei, ändere nichts. Zwar dürfe man in einem solchen nicht wohnen. Ein Teileigentum lasse aber jeden gewerblichen Gebrauch zu, etwa eine Büronutzung, die bauordnungsrechtlich nur in Aufenthaltsräumen vorgenommen werden dürfe. Demzufolge gehöre es grundsätzlich zum plangerechten Zustand eines Teileigentums, dass die öffentlich‑rechtlichen Anforderungen an einen Aufenthaltsraum erfüllt seien. Anders sei es nur, wenn die Wohnungseigentümer den Gebrauch des Teileigentums weiter eingeschränkt hätten. So liege es im Fall aber nicht. Mit der Formulierung, dass die Räume "nicht zu Wohnzwecken dienten", werde nur § 1 Abs. 3 WEG aufgegriffen. Dass der Aufteilungsplan die Räume als "Keller" bezeichne, sei wegen der "nachrangigen Bedeutung der planerischen Eintragungen" unerheblich. Eine Nutzungsbeschränkung lasse sich ferner nicht aus der Bestimmung entnehmen, wonach die "Gewerbeflächen" zu "baurechtlich zulässigen gewerblichen Zwecken genutzt werden" dürften. Daraus ergebe sich nicht, dass das Teileigentum nur als Keller‑ oder Lagerraum diene. Die Sache sei allerdings nicht zur Endentscheidung reif. Da den Wohnungseigentümern bei der Schaffung des zweiten Rettungswegs unter Beachtung bauordnungsrechtlicher Vorgaben grundsätzlich ein Ermessen zustehe, könnten K's Hauptanträge nur dann Erfolg haben, wenn die beantragte Herstellungsweise die einzig mögliche Ausführung darstelle. Gebe es eine Alternative, was aufzuklären sei, könne nur der Hilfsantrag Erfolg haben.

Praxishinweis

Der Fall ist in gewisser Weise ein Lehrstück: Erstens klärt er ‑ erneut ‑, wie man ein Teileigentum gebrauchen darf und wie man diesen Gebrauch durch Bestimmungen der Wohnungseigentümer einschränken kann. Zweitens zeigt er ‑ erneut ‑ auf, dass Wohnungseigentümer Fehler des Bauträgers auf eigene Kosten beheben müssen ‑ und dass darauf ein Anspruch besteht. Und drittens zeigt er dem Anwalt, dass er in der Regel eine bloße Beschlussersetzungsklage erheben sollte. Fazit: Nichts Neues, aber alles richtig und gut erklärt ‑ im Übrigen auch zu den Baukosten, die natürlich alle Wohnungseigentümer tragen müssen.

RiKG Dr. Oliver Elzer, Berlin Autorenprofil

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