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Vertrauen (in den Winterdienstbeauftragten) ist gut, Kontrolle ist besser!

1.
In einem verkehrsberuhigten Bereich ist derjenige Bereich wie ein Gehweg winterdienstlich zu behandeln, der bevorzugt dem Fußgängerverkehr dient. Schneeräumen an anderer Stelle (etwa in der Mitte des verkehrsberuhigten Bereichs) ist nicht ausreichend, wenn nicht gerade dieser Bereich bevorzugt dem Fußgängerverkehr dient.

2.
Ein räum‑ und streupflichtiger Grundstückseigentümer kann die ihn treffende Haftung für unterlassenen Winterdienst nicht schon durch Bestellung eines Bediensteten, mag dieser auch an sich geeignet und zuverlässig sein, gänzlich von sich abwälzen, er muss diesen vielmehr selbst überwachen und kontrollieren. Bei dieser Überwachung ist mit Rücksicht auf die durch Eis- und Schneeglätte drohenden Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter an das Maß der bei der Beaufsichtigung anzuwendenden Sorgfalt ein strenger Maßstab anzulegen.

KG, Urteil vom 08.09.2017 ‑ 4 U 57/16
BGB § 823 Abs. 1, 2

Problem/Sachverhalt

A ist in Berlin auf dem Weg zum Haus des B. Dieses steht in einem verkehrsberuhigten Bereich, weshalb "Fahrbahn" und "Gehweg" nicht voneinander abgegrenzt sind. Zum Winterdienst bestimmt § 3 Abs. 4 StrReinG-BE: "Sind bei einer Straße Fahrbahn und Gehweg nicht durch bauliche Maßnahmen, Verkehrseinrichtungen oder Verkehrszeichenregelung voneinander abgegrenzt, so sind die Straßenteile, die bevorzugt dem Fußgängerverkehr dienen, wie Gehwege entsprechend den Absätzen 1 bis 3 zu reinigen." Im Bereich der Fahrbahn ist zwar (vermutlich - das bleibt streitig) ein Streifen zum Gehen geräumt, der "Gehweg" aber ist verschneit. Hier kommt A zu Fall und verletzt sich schwer (13 Tage Krankenhausaufenthalt, dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10%). A verlangt von B 22.000 Euro Schmerzensgeld. B beruft sich darauf, dass er den Winterdienst schon seit 2006 vertraglich auf die Firma C übertragen habe und ihn deshalb kein Verschulden treffe.

Entscheidung

Das KG verurteilt B zur Zahlung von 13.000 Euro Schmerzensgeld. Nach § 3 Abs. 4 StrReinG-BE ist der "Gehweg" zu räumen (und nicht nur - falls überhaupt geschehen - ein Streifen der Fahrbahn). Die Delegation des Winterdienstes auf C kann B nicht entlasten, denn er hat C nicht ausreichend überwacht und kontrolliert; zumindest hat er diesbezüglich trotz ausdrücklicher gerichtlicher Aufforderung nicht konkret vortragen können. Hätte B die Firma C ausreichend kontrolliert, hätte er bemerkt, dass C stets nicht den "Gehweg" (also den Bereich, der bevorzugt dem Fußgängerverkehr dient) räumte, sondern einen Teil der Fahrbahn. Das hätte B beanstanden können und müssen, wobei davon auszugehen ist, dass C - einer entsprechenden Beanstandung folgend - den Gehweg geräumt hätte, wodurch der Sturz der A verhindert worden wäre.

Praxishinweis

Im Urteil kommen die bekannten Grundsätze zur Verkehrssicherungspflicht beim Winterdienst zum Tragen. Das Ergebnis überzeugt aber nicht: Ob die Firma C in den Jahren vor dem Unfall (generell) oder speziell am Unfalltag einen Streifen auf der Straße statt des Gehwegs geräumt hatte, blieb offen; dieser Umstand war aber der Anknüpfungspunkt dafür, dem B eine fehlende Überwachung anzulasten. Wenn aber der Winterdienst von C jahrelang problemlos ausgeführt wurde, gab es keinen Anlass für den Grundstückseigentümer B, die Ausführung zu kontrollieren - sollte man meinen. Das besprochene Urteil lehrt indes: Sicherheitshalber sollte der Grundstückseigentümer seinen Winterdienstbeauftragten hin und wieder auch anlasslos kontrollieren und diese Kontrolle zu Beweiszwecken dokumentieren.

RA und FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Dr. David Greiner, Tübingen Autorenprofil
IMR 2018, 36

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