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Vorgetäuschter Eigenbedarf: Vermieter muss Schadensersatz zahlen!

Ein Vermieter muss sich dafür rechtfertigen, wenn die behauptete Selbstnutzung der Wohnung durch den Vermieter selbst oder dessen Angehörige nicht nach dem Auszug des Mieters erfolgt.

LG Berlin, Urteil vom 05.03.2018 - 64 S 72/17
BGB §§ 280, 535, 573

Problem/Sachverhalt

Zwei Mieterinnen einer Wohnung in Berlin wurden von ihrem Vermieter wegen Eigenbedarfs gem. § 573 BGB gekündigt. Der Vermieter begründete dies damit, dass er diese seinem Bruder und dessen Familie zur Verfügung stellen wollte. Nach dem Auszug kam es jedoch anders. Der Vermieter vermietete die Wohnung an eine Flüchtlingsfamilie. Der Vermieter rechtfertigte sich damit, dass sein Bruder u. a. wegen eines Schlaganfalls nicht in die Wohnung hätte einziehen können. Dies habe er sich überlegt, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen worden sei. Nach den Krankenunterlagen ist dies am 07.03.2016 der Fall gewesen. Die Mieterinnen glaubten dies jedoch nicht und verklagten den Vermieter. Sie berufen sich darauf, dass der Eigenbedarf nur vorgetäuscht worden sei. Das AG Charlottenburg wies die Klage mit Urteil vom 20.03.2017 (202 C 347/16) ab. Das Gericht sah die Darlegungen des Vermieters bzw. dessen Bruders als glaubhaft an. Hiergegen legten die Mieterinnen erfolgreich Berufung ein.

Entscheidung

Das LG Berlin sieht dies anders. Es sieht die Kündigung wegen Eigenbedarfs als rechtswidrig an und verurteilt den Vermieter u. a. zu fast 6.000 Euro Schadensersatz. Hierzu führen die Richter aus, dass der Verdacht des vorgetäuschten Eigenbedarfs besteht, wenn der Vermieter die behauptete Selbstnutzung nicht nach dem Auszug des Mieters in die Tat umsetzt. Hier steht der Vermieter in der Pflicht. Er muss genau und ohne Unstimmigkeiten erläutern, weshalb der geltend gemachte Eigenbedarf angeblich nachträglich entfallen ist. Hiervon kann hier nach den Feststellungen des Gerichts nicht ausgegangen werden. Nach Auffassung der Richter hat sich der Vermieter in mehrere Widersprüche verwickelt. Beispielsweise ist unverständlich, weshalb bereits um den 13.02.2016 der Name der Flüchtlingsfamilie am Klingelschild und dem Briefkasten angebracht worden ist, obwohl der Bruder es sich nach den Angaben des Vermieters doch erst nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus am 07.03.2016 anders überlegt haben soll. Des Weiteren sind widersprüchliche Angaben darüber gemacht worden, wann die Flüchtlingsfamilie bzw. nachfolgend der Bruder in die Wohnung eingezogen ist. Ferner gibt das Gericht zu bedenken, dass vorgetäuschter Eigenbedarf nicht zwangsläufig voraussetzt, dass der Vermieter zum Zeitpunkt der Kündigung vorsätzlich täuschen wollte. Vielmehr reicht es aus, wenn der Vermieter noch nicht sicher ist, ob er die Nutzungsabsicht verwirklichen kann. Das LG Berlin hat die Revision nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist bislang nicht durch den Vermieter eingelegt worden.

Praxishinweis

Diese Entscheidung steht mit der Rechtsprechung des BGH zum nicht umgesetzten Selbstnutzungswillen im Einklang. Hierzu führt der BGH mit Urteil vom 11.10.2016 (VIII ZR 300/15, IMR 2017, 9) aus, dass in dieser Situation strenge Anforderungen an die Darlegungen des Vermieters zu stellen sind. Darüber hinaus weist der BGH darauf hin, dass das Berufungsgericht auch die von der ersten Instanz getroffenen Feststellungen einer gründlichen Überprüfung unterziehen muss. Eine Überprüfung im Hinblick auf Fehler im rechtlichen Bereich reicht hier nicht aus. Dem ist das LG Berlin vollumfänglich nachgekommen.
Ass. jur. Harald Büring, Düsseldorf
IMR 2018, 368

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